Leuchtfelder, ein Anfang.

Lesedauer: ~ 5 min.


 

Nun sind wir wieder zurück von unserer ersten Reise, und stehen vor einer Hürde. Es ist eine Schwelle, dieses Anfangen. Das Werden im Reisen darf aber auch das Werden dieses Magazins sein. Wer mag begleitet uns also direkt hier von Anfang an, auch wenn die Form noch wackelt.

Die Reise ist motiviert durch unser ganz persönliches, privates Interesse. Im Moment ist unsere zentrale Frage, warum wir uns immer so wohl, beheimatet und willkommen fühlen, wenn wir an Orte der Anthroposophie kommen. An einen biologisch-dynamisch wirtschaftenden Bauernhof, eine Waldorfschule, eine Holzwerkstatt, eine Buchhandlung, eine Bühne oder Galerie. Oder auch einfach in das Haus von Menschen, die Steiner lesen. Wir stellen diese Frage öffentlich aus der Vermutung heraus, dass es anderen ähnlich geht.

Wir sprechen von einer Strahlkraft, die von diesen Orten ausgeht. Und forschen nach dem, was alle Orte eint. Die These ist, dass der Wille dafür zentral ist. Wille verstanden als tätige Kraft = die Kraft, die aus der Idee eine Handlung werden lässt. Dort wo Menschen, die die Anthroposophie als Überbau haben, schaffend tätig sind, dort beginnt es zu leuchten.


Pathos war dabei, als wir unsere erste Reise am Karsamstag begonnen haben. Der Weg war weit, das Gefährt war langsam – so kamen wir in die Dämmerung und überall längs des Weges leuchteten die Osterfeuer. Das Leuchten der Felder. Schon crazy.

Die erste Nacht haben wir in Fulda verbracht. Dieser enorme Dom und der milde Ostermorgen bildeten ein festliches Ensemble. Ungeplant haben wir am Ostergottesdienst teilgenommen. Und auch wenn die Predigt des Bischofs versuchte einige krude Haltungen und Vorstellungen mit der Osterbotschaft zu verknüpfen, konnte dies dem Augenblick nicht die Schönheit nehmen. Wir blieben sitzen. (Und die Kinder auch. Was bei bald zwei Stunden das eigentlich Erstaunliche war.)

Den Tag darauf schon sind wir in Dornach angekommen. Wir haben uns so gefreut auf den Ort. Ich war zuletzt zu einer Jugendtagung da – vor fast zwanzig Jahren. Für Martin sollte es der erste Besuch sein.
Bei der Planung war es uns ein bißchen komisch, als ersten Ort im Rahmen von Leuchtfelder just das Goetheanum zu besuchen. Ein Ort mit diesem Nimbus. Als meine Nichte uns aber zu ihrer Konfirmation am Sonntag nach Ostern nach Bern einlud, fügte es sich so und Dornach wurde der Auftakt für Leuchtfelder. Jetzt aber war da vor allem Freude und ein Gefühl von „Endlich! Endlich sind wir hier!“

Wir sahen den Bau schon von der Landstraße aus liegen, auf dem grünen Hügel. Und auch oben angekommen war es mehr ein Tasten, denn ein zielstrebiges Schreiten. Es war kalt aber sonnig und klar und ohne jede Absprache gerieten wir in ein Schlendern, ein jeder auf die eigenen Sinne bedacht. So haben wir drei Tage verbracht. Wir gerieten in einen Modus der Aufmerksamkeit und der Wahrnehmung und das war auf eine Art einzigartig – wie ein jedes erstes Mal.

Die Kinder stromerten durch die herrlich üppigen Wiesen und Haine, die gleichzeitig wild wuchernd und kultiviert wirkten. Eine Einzigartigkeit ist für uns ausgegangen von diesem Ort. So geht es mir manchmal, an Orten, an denen viel geschehen ist. An denen viel gedacht wird. Das wird erlebbar.

Die Siedlung, die sich um das Goetheanum gruppiert, ist geprägt von anthroposophischer Architektur. Die am Hang liegenden Häuser binden das Goetheanum an das Dorf an und schaffen einen ganz eigenen Raum. Irgendwelche Gebilde stehen in den Höfen, dort wird gelebt – dennoch sind unsere Wege ähnlich dem im Museum. Bloß behutsamer, der Privatssphäre wegen. Es wird Ausgeschritten hier und da, wir sind neugierig auf alles und jeden. Es ist eine helle Freude!

Weniger belebt als die Umgebung wirkt der kolossale Sichtbetonbau, der doch sehr thront über allem. Wir nähern uns dem Goetheanum mit Respekt, Respekt der immer und unbedingt positiv ist. Das fordert der Bau aber auch ein. Der in seiner Riesenhaftigkeit, Fläche und Form eine unmittelbare Wirkung auf uns hat. Portal, Hallen, Gänge – alles ist absolut gestaltet und gepflegt. Grafiken, Tafeln und Hinweisschilder wirken überaus zeitgenössisch und exzellent realisiert, alle Menschen sind sehr freundlich.

Es sind Ferien, viele Beschäftigte sind nicht zugegen, das ist uns klar. Dennoch wirken die Gänge leer und zu groß für die Funktion. Türschilder lassen erkennen wo die Leiter der verschiedenen Sektionen der Freien Hochschule sitzen. Es gibt den Empfang, das Cafe, die Bühne, den Ausstellungssaal, den Buchladen. Das Programm zeugt von einem ganz kontinuierlichem Strom mannigfaltiger, höchst spannender Veranstaltungen in hoher Frequenz. Und, und, und. Trotzdem entsteht in uns nicht der Eindruck eines belebten Gebäudes. Erzählungen zufolge war das nicht immer so. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

An Tag zwei unseres Aufenthaltes beginnt die ISC 1017 (international students conference). Die Luft wird immer milder, wir verbringen viel Zeit auf dem Vorplatz und genießen es einfach die Jugendlichen anreisen zu sehen. Was für eine Kraft von ihnen ausgeht! Wir sehen und erleben genau das, was wir uns für unsere Kinder wünschen und warum wir die Waldorfschule wählen: Interessierte, motivierte, individuelle, warmherzige, einander zugewandte Menschen, die Bock haben, Sachen zu machen.

 

Dem Plan entnehmen wir, dass der Nachmittag nach dem Ankommen zur freien Verfügung ist und wir beobachten, wie draußen, in einem Kreis von sicher 150 Konferenzteilnehmern, in Eigenregie ein Spiel nach dem anderen gespielt wird. Wer eine Idee hat, trägt sie vor. Alle machen mit. Andernorts wird gesungen, in großen und kleinen Gruppen, mit Instrumentalbegleitung oder ohne. Zu schön das alles. Das Gebäude ist mit einem Mal bevölkert. Überall, auf Treppen, Fußböden, in Gängen sitzen und liegen Jugendliche. Es könnte respektlos erscheinen, wirkt aber willkommen, gehört mit einem Mal genau da hin.

Ich merke, wie gern ich selbst Teilnehmende gewesen wäre.


So ist ein Anfang genommen. Im Reisen und berichten. Auch wenn die Tage schon etwas zurückliegen, können wir das Gefühl des Ortes unmittelbar abrufen. Und es ist gut.  Über unseren Ausflug zur Ermitage und das Gespräch mit Rudolf Feuerstack, der seit 1994 ein detail- und materialgetreues Modell des ersten Goetheanums im Maßstab 1:20 baut, berichten wir bald.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*