Es ist ein Auftragswerk

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“Wenn ihr auf der Suche nach tätigem Willen seid, dann müsst ihr Herrn Feuerstack kennenlernen.“

Das riet uns Silvias Schwager Urs, der ganz begeistert von diesem Mann erzählte, der seit 23 Jahren an einem Modell des ersten Goetheanums baut. Er legte damit den Grundstein für dieses Treffen.

Begegnung in der Werkstatt

An unserem dritten Tag in Dornach nehmen wir Urs Rat an und vereinbaren mit Herrn Feuerstack spontan einen Termin. Seine Werkstatt liegt im Südflügel direkt neben dem Ausstellungsraum des Menschheitsrepräsentanten. Vom Treppenhaus aus durchschreitet man eine vom Brand verschonte Originaltür des ersten Goetheanums.

Während der Ausstellungsraum mit seiner stillen, kühlen, dunkel-bläulichen Atmosphäre die Ausstrahlung einer Kapelle hat, ist der Atelierraum durch die Sonne aufgeheizt und setzt mit seinen rotgetünchten Wänden, den gelben Vorhängen, Bänken, Werkzeugen, Leimflaschen, Plänen, Fotos, Vitrinen, Gefäßen und Töpfen einen durch und durch belebten Kontrast. Der Raum wird dominiert von dem gewaltigen Modell, das auf Stelen aufgebockt in der Mitte steht.

Portrait von Rudolf Feuerstack

In der Werkstatt wartet Herr Feuerstack bereits. Ein Herr mit Weste und Baskenmütze, der trotz seines erkennbaren Alters viel bubenhaften Schalk in sich trägt. Wir tauschen einige Sätze aus und erforschen dann zunächst das Modell. Taucht man unter dem Sockel hindurch, kommt man mit dem Kopf inmitten des Zuschauerraums wieder hervor. Das Auge gewöhnt sich schnell an die Verhältnisse und nach kurzer Zeit ist es, als stünde man im ersten Goetheanum und beobachte, wie die Sonne durch die verschiedenfarbigen Glasfenster scheint. Die Zuschauerplätze sind leer, aber auf der Bühne steht eine Frau. Ganz als wären wir Zeuge einer Probensituation am Vormittag.

Als der von Steiner und anderen Anthroposophen verfolgte Plan, mit dem Johannesbau in München einen Ort für die Mysteriendramen zu schaffen, 1913 mit der Ablehnung des Bauantrags scheiterte, wurde Steiner noch im gleichen Jahr das Gelände in Dornach angeboten. Inmitten des 1. Weltkrieges entstand auf dem Kalksteinfelsen das Goetheanum. Noch während der Bauphase wurde es 1920 mit den ersten Aufführungen eingeweiht. In der Silvesternacht 1922/23 fiel dieser Holzbau infolge einer Brandstiftung vollständig den Flammen zum Opfer.
Steiner wollte das Goetheanum in seiner ersten Form nicht wieder aufbauen und legte schon drei Monate nach der Brandnacht einen Entwurf für das zweite Goetheanum vor.

Ich bin Beleuchter, nicht Schreiner

Dass Steiner es nicht wieder aufbauen wollte, sprach für Feuerstack gegen den Modellbau. Auch dass er wenig Erfahrung im Umgang mit Holz und bisher nichts Vergleichbares gemacht hatte, ließ ihn zunächst zögern.

Er war 1953 mit 21 Jahren an das Goetheanum gekommen und hat dort 33 Jahre als Beleuchter gearbeitet. Wir erfahren von seiner Arbeit an der Bühne; davon, wie ihn die vielen großen Persönlichkeiten beeindruckt und geprägt haben; wie seine Freunde und er nächtelang überlegten, wie man es beim Publikum erreichen kann, dass die Elementarwesen lebendig werden. Die Frage, wie man gerade das künstlerisch gestaltet bekommt, was physisch nicht sichtbar ist.

 

“‘Wir beleuchten nicht, damit ihr etwas seht, sondern damit ihr etwas erlebt.’ Wir stellten uns die Frage: ‘Wie kriegt man es fertig, dass das Reich von Ahriman, wenn er da jetzt erscheint, mit in Erscheinung tritt?’”

 

Wenn Feuerstack von seinem Goetheanum spricht, erzählt er von einem Haus des Wortes. Davon, wie es lebendig war. Dass überall geübt wurde und es aus jeder Tür tönte. Wie aus allen Garderoben auf den vier Etagen hinter der Bühne man etwas anderes hören konnte. Es war Leben.

Später kamen dann die Neuen, erzählt er. Und zwischen seiner Arbeitsweise und der der Jungen taten sich Risse auf. In dieser Zeit trat die Leitung des Goetheanums auf ihn zu und fragte ihn, ob er ein Modell des ersten Goetheanums bauen wolle. Er wäre selbst nie auf die Idee gekommen. Er war ja Beleuchter, nicht Schreiner. Nach anfänglichem Zögern willigte er schließlich ein.

Der Auftrag

Während er die Arbeit begann, stellte sich heraus, dass seine Bühnenerfahrung eine fantastische Voraussetzung war. Dieses Sich-Einleben in die Kunst, in die verschiedenen Künste. Das innere Begreifen der Musik. Der feine Blick für die Farben. Das Erleben des Sprachrhythmus’.

 

“Man hat an der Bühne gelernt Dinge zu tun, die man nicht kann. Weil sie eben nötig sind. Und dann lernt man das Tolle: Sich für die Hilfen öffnen. Und die Hilfen, die sind da. Nur meistens lassen wir sie ja nicht zu. Wenn ich alles kann, brauche ich keine Hilfe.

Und dann staunt man manchmal. Da wird einem die Hand geführt. Und dann können sie öfters erleben, dass ich sage: ‚Danke schön.‘“

 

Er mag nicht, wenn man von Feuerstacks Modell spricht. Das sei es nicht. Er habe es wohl gebaut, aber es sei ein Auftragswerk. Das betont er immer wieder und wir stellen schnell fest, dass er damit nicht nur den Auftrag der Goetheanumsleitung meint, sondern auch einen aus der geistigen Welt – eben keinen Zufall.

 

“Diese unheimlich vielen Angebote des Schicksals, bei denen man die Möglichkeit hat sie zu greifen – oder eben auch nicht. Und hinterher weiß man dann ob es gut war – oder eben auch nicht.”

 

Seit 23 Jahren ist er stetig am Werk und noch ist es nicht abgeschlossen. Aktuell arbeitet er an der Kuppel des Bühenraumes und der unklimatisierte Raum, mit seinen Fenstern nach Süden, schädigt durch die starken Temperaturschwankungen das Modell. Ein Umzug in den Nordflügel würde helfen, aber die Mühlen im Goetheanum mahlen wohl zu langsam. So macht alles weiter.

Dieser beständige Wille beeindruckt uns tief. Es ist genau das, wonach wir suchen: Tätige Schaffenskraft. Und in dieser Werkstatt ist überall zu spüren, dass diese Schaffenskraft getragen ist von Hingabe, Geduld, Demut und großer Aufmerksamkeit.

 

“Wie das Auge alle Eindrücke ergreift, eingreift. Das sind Dinge an denen man üben kann – lernen kann. Das lebendige Denken. Die lebendige Fantasie. Da fängt es eigentlich erst an. Und da wird es schön. Nicht einfach, aber es wird schön.
Das braucht viel Übung, aber was sollen wir denn sonst hier? Tun!“

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